„Wir werden handlungsfähig sein“ – Reformkräfte vor der finalen Synodalversammlung

Der Inhalt dieses Beitrages entspricht der persönlichen Meinung des Autors.

Der Nachrichten- und Neuigkeitswert von Pressekonferenzen steigt schlagartig, wenn die Journalist*innen schlaue Nachfragen stellen. So auch gestern bei der digitalen Pressekonferenz der katholischen Reformkräfte vor der finalen Vollversammlung des Synodalen Weges. Den wuchtigen Ausgangspunkt hatte Johannes Norpoth, Sprecher des Betroffenenbeirates bei der Deutschen Bischofskonferenz gesetzt. „Mit den Missbrauchsstudien aus Hamburg, Essen und Mainz wird abermals mit aller Härte und Deutlichkeit klar, dass sich hinter der sexualisierten Gewalt in der katholischen Kirche keine zufällige Ansammlung von schändlich handelnden Einzeltätern verbirgt. Die Studien legen erneut die systemischen Ursachen und tiefen, strukturelle Verwerfungen der Institution Katholische Kirche bis hin zum menschenverachtenden Verhalten seiner Führungsriege schonungslos offen.“

Mit viel Verve und Expertise hatten Christian Weisner, Magnus Striet, Maria Flachsbarth, Monika Humpert, Edgar Büttner und Jens Ehebrecht-Zumsande ihre Statements abgegeben und die Ausgangslagen in den vier Synodalforen skizziert.

Gleich die erste Frage aus der Journalistenrunde traf ist Schwarze. „Die Bischöfe haben bei ihrer Frühjahrskonferenz ihre Anforderungen an die synodalen Texte nachgeschärft. Wann ist für die Synodalen die Grenze der Zustimmung erreicht?“ Noch sei den Synodalen diese nicht bekannt. Intern werde über Strategien gesprochen. Aber öffentliche Spekulationen verböten sich, antwortet die Bundesvorsitzende des katholischen Frauenbundes Maria Flachsbarth, die auch für die kfd sprach. Die beiden großen Frauenverbände wechseln sich bei den Pressegesprächen ab „Wir werden handlungsfähig sein!“, entgegnet sie.

Viel kämpferischer tritt Monika Humpert, die Vertreterin von Maria 2.0, auf. „Wir verstehen uns als freischwingendes Netzwerk, als Partisaninnen und Gerechtigkeitskämpferinnen und sehen die Verlogenheit“. Das Bild des Franziskus-Papstes von einer verbeulten Kirche aufgreifend, meint sie, es könne aber keine verbeulte Gerechtigkeit, keine verbeulte Menschlichkeit und keine verbeulte Wahrheit geben. Den Bischöfen hält sie ihre Komplizenschaft, die Verantwortungslosigkeit und Kälte vor. „Mehr Versagen geht nicht. Nicht ein einziger Gerechter unter all den Bischöfen, Weihbischöfen, Generalvikaren und all den anderen Wichtigkeiten!“

In der Runde fallen eine Reihe von bischöflichen Namen, was die nächste Frage provoziert. „Wenn jetzt alle als Vertuscher beschrieben werden: Wie lange will man sich an die Fersen der Bischöfe heften?“ Die Reformkräfte bieten die „Chance der klaren Sprache“, so die Anwältin von Maria 2.0. Es sei quasi die letzte Chance, und wenn die nicht ergriffen werde, dann sei es das gewesen.

Die Präsidentin der KDFB und Synodale Maria Fachsbarth erinnert daran, dass die Bischofskonferenz „in tiefer Not“, dem Missbrauchsskandal und der MHG-Studie, sich an das ZdK gewandt habe. Trotz anfänglicher Skepsis habe sich das ZdK zum Synodalen Weg durchgerungen, habe aber auch die Frauenthema auf der synodalen Agenda durchgesetzt. Bischöfe erlebe sie ambivalent: Einerseits sehr beeindruckt vom Ad-Limina-Besuch und von vatikanischen Interventionen, andererseits aber auch aufgeschlossen und kämpferisch für Reformanliegen. Diese Bischöfe gelte es zu stärken. Die Frauenverbandsvorsitzende zeigte sich überzeugt, mit viel Geduld und Leidensfähigkeit immer wieder für gerechte Forderung einzutreten. „Unsere Geduld ist nicht unendlich, aber wir lassen uns auch nicht vertreiben“. Im KDFB und in der kfd sind über eine halbe Millionen Frauen organisiert.

An der „Frauenfrage“ entscheidet sich vieles, analysiert der Freiburger Fundamentaltheologe Magnus Striet. Es gebe unversöhnliche Positionen. Die Art, wie in den Reformgruppen Theologie diskutiert werde, unterscheide sich elementar vom Ansatz der „Ratzinger-Theologie“, die keine Selbstbestimmungsrechte akzeptiere. Diesen Streit, so Striet, werde man wie auch Ungleichzeitigkeiten innerhalb der Ortskirchen nach den nächsten Wochen aushalten müssen. Er zeigt sich skeptisch, ob die römische Seite die Handlungstexte akzeptieren würde, sieht aber Gestaltungsräume im deutschsprachigen Bereich. Die Konfliktlagen seien für liberale Gesellschaften nicht ungewöhnlich.

Eine „Systemkollision“ beobachtet Magnus Striet. Erstmals werde ein grassierender Autoritätsverlust der Bischöfe höchst transparent in einer Gesellschaft, in der argumentative Kompetenz gefordert und erforderlich sei. Aussagen wie ‚Kirche sei keine Demokratie‘ (Walter Kasper) ständen konträr zu demokratischen Aushandlungsprozessen auf dem Synodaler Weg.  Eine „Bischofsanhänglichkeit laufe ins Leere“.

Ob die Systemkollision konsequenterweise dann nicht bedeute, dass die Kirche gegen die Wand fahren und das System inklusive kirchlichen Sozialwerke zusammenbrechen müsse, harkt ein Journalist nach. Wenn schon, so der Freiburger Fundmentaltheologe, dann hätten die Päpste Johannes Paul II und Benedikt die Kirche an die Wand gefahren. Striet kann sich keine Soziallandschaft ohne Diakonie und Caritas in Deutschland vorstellen, so schwer es auch sei, diese Arbeit unter dem kirchlichen Label zu leisten. „Die alte Sozialgestalt von Kirche ist eindeutig zu Ende gegangen, die Schleusen sind geöffnet“. Längst herrsche in der Kirche die eigentlich nicht vorgesehene freimütige Rede.

Mit der Beschreibung Systemkollision kann sich auch Maria Flachsbarth anfreunden. „Ich gehe nicht. Das ist nicht nur eine rationale Entscheidung“. Ihre katholische Sozialisation mache die Kirche auch zu einem Stück Zuhause, um das sie bis zum Schluss kämpfen werde.

Die ersten haben übrigens schon aufgegeben. Unter öffentlichem Getöse hatte die konservative Maria 1.0-Gruppe den Synodaler Weg aufgekündet. „Wegen mangelnder Demokratie“, erklärten die Verfechterinnen in Treue zum päpstlichen Lehramt. Was für eine populistische Denkfigur. Die nächsten Tage in Frankfurt (Foto: Die Paulskirche) werden interessant zu verfolgen sein. Wie wegweisend? Diese Frage bleibt offen.

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