Die biblische Botschaft nach Josef

Der Inhalt dieses Beitrages entspricht der persönlichen Meinung des Autors.

Nachruf auf Josef Kröger, KSJ-Stadtgruppenkaplan Paderborn und ND-Regionalkaplan München

Wenn ich noch in dieser Kirche glaube, dann wegen solchen Menschen wie Josef Kröger. Wenn ich mich in der Welt umblicke, Eroberungskrieg in Europa, die mutwillige Zerstörung unseres blauen Planeten, die Hetze gegen Zeitgenossen und die Missachtung der Würde von Mitmenschen, und ich inmitten der Verzweiflung, von unserer Hoffnung erzählen kann, dann wegen Josef Kröger und Jesusleuten wie ihm.

Das Evangelium nach Josef begann eigentlich ganz harmlos. Meine Mutter entdeckte Anfang der Achtziger eine KSJ-Anzeige für eine Ferienfreizeit und dachte bei sich, – ein unglaublicher Satz heutzutage – da fährt ja ein Priester mit, gewiss eine gute Sache. Und so war es dann auch: Alle Menze-Geschwister entdeckten die wunderbare Welt des Pitschöler Hofes, eines Bergbauernhofes auf gut 1.750 Meter Höhe, vor dem atemberaubenden Panorama des Latemars und Rosengartens.

Einfach leben

Ein Klo für alle und eine Raucherbank für nicht wenige: Beide mit Bergblick. Eine kalte Dusche, erhitzt zunächst durch ein Feuerchen im Ölfass, später durch einen schwarzen Schlauch, der ganz warm wurde durch Solarenergie. Leiterrunden um einen Küchentisch, wo unter Einfluss von gespritztem Großvernatsch oder Forstbier in Literflaschen über Gruppendynamik & Grumis (paderbörnsch für Gruppenmitglieder) bis tief in die Nacht philosophiert wurde. Oder heftig über solch elementare Fragen gestritten wurde: „Müssen wir Leiter*innen spülen?“ Diese Diskussion drehte einige rhetorische Pirouetten, bis sie Josef mit der schlichten Feststellung beendete: „Wer Teller dreckig macht, macht sie auch wieder sauber“. Das hat sich tief eingeprägt bei mir.

Josef war eine Autorität, predigte uns aber immer, dass das wesentliche Ziel unseres Leiter-Daseins darin bestehe, sich überflüssig zu machen. Josef war in dieser Disziplin höchst erfolgreich, gleichzeitig aber durchaus meinungsstark. Nie hat er den Trumpf gezückt: Ich habe den Pitschöler-Toni überzeugt, für eine Horde Kinder den Hof zu räumen. Oder hat den KSJ-Stadtgruppenkaplan raushängen lassen.

Die Gottesdienste im Angesicht der Bergwelt: handfest, elementar, mit josefisch-praktischen Gleichnissen. Logisch mit der kräftigen Prise befreiend-politischer Theologie. Auf dieses revolutionäre Ticket fuhr ich, aber ich glaube, auch meine Geschwister, völlig ab. Sich nicht von Autoritäten in die Suppe spucken lassen!  Prophetisch Handeln & einfach leben.

Erzählen konnte Josef. Wie sie als Werler ND-Fähnlein nach dem Krieg bei einem Bauern auf Stroh übernachteten, und dessen Leberwurstvorräte derartig plätteten, dass es ihnen später ziemlich peinlich war. Wie zu Konzilszeiten die „Rote Hand“ im Theologenkonvikt angesichts schwarzen Reaktion Fakten schuf. Hat Josef mir erzählt, wie sie nach gewonnenen Abstimmungen über die Plattform demonstrativ Sekt aufgemacht haben?  Vielleicht. Er erzählte über die Anfangszeiten auf dem Pitschöler oder wie auf der ersten KSJ-Freizeit mit den ‚Zwölf Aposteln‘ vom Reismann-Gymnasium in der Schweiz die unmöglichen Grumis Kuhglocken geklaut hatten. „Jede Kuh kennt den exakten Ton ihrer Glocke im Kopf“. Ein kapitales Verbrechen, dass Josef irgendwie wieder gerade gebogen hat.

Politisch

Bei den KSJ-Aktivitäten in Paderborn konnte uns doch überhaupt nicht beeindrucken, dass auch Kommunisten die Friedenswochen mitveranstalteten. Wir setzen unseren katholischen Programmpunkt mit einer Friedenswallfahrt zur Hilligen Seele. Auf den Spuren der ND’er in der Nazizeit, die dorthin pilgerten und zu Weihnachten sich zu versammeln pflegten. Zwei Jahre später, in der Leiterrunde dominierten Wehrpflichtige und wir entschieden uns mehrheitlich gegen die Friedenswoche. Anfang der Neunziger, zu Irak-Kriegszeiten, feierten wir KSJ’ler*innen beim Friedenscamp auf dem Paderborner Rathausplatz Gottesdienste und bewachten in Schneesonntagsnächten die Zeltstadt. Es war die Hochzeit der neuen sozialen Bewegungen und Josef hatte uns mitten hinein gelotst.

Damals hieß es noch „Dritte Welt“. Josef vermittelte uns den Kontakt zu einem kleinen (Körpergroße),  großartigen philippinischer Priester, der Genossenschaftswesen bei der Jesusbank auf dem Kamp studierte. Pater Vincente Castro. Adventssamstag um Adventsamstag vertickerten wir Honig, die Nicaragua-Kaffeedröhnung, Rotwein aus Algerien und ähnliche Produkte von Tapetentischen. Schweinekalt war es auf dem Marienplatz, aber Josef hatte in uns das Feuer für Wasserbüffel entzündet. Und wie sehr haben wir uns über das Foto aus der philippinischen Inselwelt gefreut, wo auf einem Wasserbüffel in gelben Himmelfahrtslettern KSJ zu lesen war. Padre Vincente Castros Beschreibung von Josef: „Ein Posaunenengel Gottes“.  Sie passte perfekt.

Es war der politische Ansatz von Josef, in Kombination mit der Jesus-Botschaft: Der Booster für unser und für mein KSJ-Dasein. Die Geschichte der Herrschaft Gottes hat mich absolut überzeugt & tief geprägt. Eine Grundhaltung, ergänzt um die Gewissensfreiheit. Daraus schöpfe ich noch heute. Das macht mich zu großen Teilen aus. Dafür bin ich unermesslich dankbar.

Theologisch

St. Kilian – diese geniale Kirche in der Südstadt mit ihrem Forumscharakter, mit dem Boden aus Tudorfer Pflaster ist Ort für unzählige KSJ – Aussendungsgóttesdienste gewesen, die wir zusammen mit Josef gefeiert haben & Josef mit uns gefeiert hat. Seine Spezialität war dabei die Dialogpredigt. Ein Format, wo er mit dem Funkmikro umherging, Leute erspähte und sie D!RECT fragte: „Joe, was meinst Du dazu?“ Das brachte Leben in die Kirche. Josef war neugierig auf die Menschen, verwickelte sie in Dialoge und setzte gekonnt göttliche Botschaften.

„Es geht fast alles in der Liturgie, ihr müsst es gut begründen“. Josefs Credo brachte uns dazu, in neuen Formen zu denken, den Glauben in einer für uns verständlichen Sprache und Ausdrucksweise neu auszubuchstabieren. Meine Geschwister hatten es eher mit (der neuen geistlichen) Musik. Auf Selbst-Ermöglichung fußte das gesamte Konzept der legendären  Kar- und Ostertage in Kloster Marienfried.

Und die alten Schwestern freuten sich wie Hulle, wenn die KSJ’ler*innen anrückten und die Kapelle gedanklich auf den Kopf stellten, Pessach mit den Schwestern und die Osternacht einmal auf der Autobahnbaustelle feierten. Nicht zu vergessen die karfreitäglichen Passionsspiele auf dem Bolzplatz oder fragile Ingenieursleitungen wie Eierkullerbahnen. Da wurde Auferstehungsglaube experimental und lebendig, entsprechend des josefischen Dictums. Heute zu Ostern lohnt es sich, nach St. Kilian zu pilgern. Die Liturgiegruppe lebt diesen Spirit weiter und liebt Überraschungsmomente.

Infinitum

Den ganz genauen Zeitpunkt weiß ich nicht mehr, als Josef meinte, „es ist Zeit die kurzen Hosen auszuziehen“, sprich die Zeit mit der Jugendarbeit zu beenden. Da hatte er schon längst neue Projekte am Laufen, etwa die Suchthilfe Drobs. Sehr souverän auch seine Entscheidung, dem Kardinal Adieu zu sagen und nach Starnberg zu ziehen in die WG Dampfschiffstr. Nr. 1 zu ziehen. Dann und wann begegneten wir uns, zuletzt auf dem ND-Kongress in Augsburg.

Als ich im August das letzte Mal mit Josef ausführlich telefonierte, schritten wir den Horizont der Welt ab. Mit Kirchenkrisen und Kardinalsfehlern hielten wir uns nicht lange auf. Josef strahlte– im Wissen um seine Krankheit – eine Lebensglückzufriedenheit aus, seine herzerfrischende Menschenfreundlichkeit und erkundigte sich – neugierig wie eh & je, ihr kennt ihn – nach dem Leben in Paderborn, nach meinen Geschwistern, nach politischen Plänen und ermutigte zu Projekten.

Dem verschmitzten Posaunenengel Gottes verdanke ich Lebenserfahrungen in der Wahrheit und im Paradies und hätte ohne ihn die wunderbaren Weiten des Pitschöler Hofes und des Klosters Marienfried nie entdeckt. Der kleine Anarchist in mir lernte von Josef das Vergnügen an Vertrauensvorschüssen, ungedeckte Investments in Menschenfreundlichkeit, und den revolutionären, nun ja: rebellischen Mut zum vorauseilenden Gehorsam.

Die Welt, möglicherweise hat sie es noch nicht gemerkt, ist echt ärmer geworden. Du. lieber Josef, wirst uns arg fehlen. Leg‘ im Himmel ein gutes Wort für uns ein. Hier auf Erden – versprochen – schubsen wir das Reich Gottes vorwärts und diese lebendige Erinnerung an Dich in uns trägt Früchte.

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